Es ist wieder soweit. Wieder versammeln wir uns, um neues Wissen über pro-tonierte Zwitterionen, Mehrringautomaten
(Verzeihung, Aromaten), Kaliumnatriumta-tratchelatkomplexe, Triphenylcyclopropenyliumtetrafluoroborate oder ähnliches
zu erwerben. Für alle Nichtchemiker: Es geht um den Chemie LK bei Dr. Blossfeld, liebevoll Commander B genannt, der uns durch seriösen und sicheren Unterricht in die tieferen Gefilde der Chemie einführen wollte. Ein Vorhaben, das zum tragi-schen Scheitern verurteilt war. Einer solchen, wissensgefüllten Stunde fiebern wir also gerade entgegen. Noch allerdings ist der Commander damit beschäftigt, die Anwesenheit (bzw. Abwesenheit) einiger mehr oder weniger wissensdurstiger (Fast-) Abiturienten in der silberchloridgebräunten Kursmappe festzuhalten. Schließlich geht es los: Die Stunde beginnt wie immer mit "Dem Ritual". Dabei teilt sich die Klasse in zwei Gruppen: Die Glücklichen und das Opfer, welches das Privileg hat, der andächtig lauschenden Kursmehrheit den Inhalt der letzten Stunde an der Tafel darzulegen. Unser Commander entwickelt dabei ein besonderes Talent mit tödlicher Sicherheit diejenigen auszusuchen, die sich momentan in einem Zustand geistig-chemischer Umnachtung befinden. Von den "Glücklichen" wird dieses lustige Intermezzo zu verschie-denen geistreichen Tätigkeiten genutzt. Dabei überwog neben interes-siertem Zuhören z.B. die Lektüre eines D&W-Kataloges, der WAZ bzw. schwachsinniger Kontaktanzeigen und ein Zustand (natürlich vorübergehender) mentaler Apathie. Nach einem meist doch noch irgendwie gelungenen Vortrag wird das Opfer schließlich erlöst und der praktische Teil der Stunde beginnt: Der Ver-such Versuche werden i.d.R.. durchgeführt, um den Schülern das zu vermit-telnde Wissen praktisch vorzuführen. Für einen typischen Versuch sind vor allem Bunsenbrenner und Wasserflaschen von großer Bedeutung. Letztere werden meist zur Abkühlung der schwitzenden Schüler in den wegen der geschlossenen Fenster stickigen Räumen verwendet, wobei allerdings diese zuvorkommende Behandlung nur einer kleinen Minderheit zuteil wird. Die Bunsenbrenner sind, wie im Verlauf des Kurses eindeutig bewiesen wurde, her-vorragend zum Flambieren einiger Reagenzien geeignet, konnten aber auch erfolg-reich als Flammenwerfer eingesetzt werden (ärgerlich wird das alles, wenn leicht brennbare Substanzen zufällig in der Nähe stehen). Interessante Wirkungen lassen sich auch durch spontane Verbrennungen oder Ver-puffungen erzielen, die allerdings nicht immer Teil der Versuchsvorschrift wa-ren. Durch unseren Forscherdrang motiviert, wurde auch selbständig entwickelten Fragestellung nachgegangen wie z.B. "Reagiert ein Apfel spontan mit Salzsäure?" oder "Eignen sich Fisherman's zur Fällung von Salzen |
oder müssen sie vorher angebrannt werden?". Der Spaß steht bei diesem Unterricht also immer im Vordergrund.
Der Versuch gilt kursintern dann als erfolgreich, wenn eine stinkend oder stechend riechende Substanz bzw. eine seltsam
aussehende Lösung entstanden ist. So lernten wir sogar schließlich Tränengas und (in der Theorie)
Trinitrotoluol (TNT) herzu-stellen. Natürlich liefen unsere Versuche auf Wunsch von Commander B unter höchsten Sicherheitsbedingungen ab und führten stets zu qualitativ hochwertigen Endergebnissen und noch hochwertigeren Auswertungen. Dabei lernten wir die Welt des Herrn Tschitschibabin kennen, wurden entführt in die Weiten der sp3-Hybridorbitale der Para-Aminobenzolsulfonsäureamide und in Tiefen der wasserlöslichen Kaliumhexacyanoferrat (II)-Komplexe. Wir erfuhren Einzigartiges über aus sterischen Gründen in orto und nicht para wegen der zu schwachen Partialladungen katalysiert ablaufenden elektrophilen Substitution an substituierten Anthracenmolekülen, die sich außerdem durch Tautomerie und mesomere Grenzstrukturen auszeichneten. Die Verwendung von Begriffen wie Carbonsäurederivat-halogenisierung, Tetramminplatin (II) -tetrachloroplatin(II) outerorbitalkomplex, durch cis-trans-Isomerie beeinflußte Folgereaktion führt zu einer überraschend po-sitiven Erkenntnis: Menschen sind leicht durch Fachbegriffe so zu verwirren, daß sie denjenigen, der sie verwendet, als wissend empfindend. (Dies ist ne-ben dem Wissen, was wir bekommen haben, vielleicht die beste Auswertung des Unterrichtes.) Leider jedoch wurde diese Entwicklung wissenschaftlicher Ergebnisse nur zu oft durch den melodisch-harmonischen Gong des SSG jäh beendet. Selbst der Nichtchemiker wird erkennen, daß diese Stunden eigentlich immer durch Spaß an der Sache gekennzeichnet waren. besonders durch die Versu-che kam Leben in den Kurs. Chemie kann als LK nur empfohlen werden, wenn man auf interessanten Unterricht (schleim) steht. Wir werden ihn vermissen (schnief)... Erwähnt sei noch, daß dieser Kurs ein Koop-Kurs mit dem SSG und trotzdem keine Katastrophe war, da die Sophies total nett waren. Also keine Angst. Uns bleibt nur noch, die Hoffnung auszudrücken, daß es eines Tages doch noch einem Chemiker gelingt, den Sexuallockstoff der weiblichen Braunalge herzustellen! Den Commander würde es freuen.... |
(cd, ul)
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